Vor dem Haus Waldesruh
In diesem Haus richtete Christian Lau
1904 die erste Pension in Schieder ein.
Wenn trotz anfänglichen Fehlens so manchen Komforts viele Gäste nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte hindurch nach hier kamen, wird deutlich, was ihnen den Aufenthalt bei uns so angenehm machte: die Erholung in einer ruhigen, sauberen und schönen Landschaft.
üur Hebung des Fremdenverkehrs gründete man 1920 auf Anregung von Wilhelm Lau und Wilhelm Albert len Verkehrsverein Schieder. Wilhelm Lau führte fast 20 Jahre den Vorsitz. Dem neuen Verein schlössen sich lie Gastwirte, viele Gewerbetreibende und etliche Privatpersonen an. Die Mitarbeit war ehrenamtlich. Sei den Aufgaben des Verkehrsvereins stand an vorderster Stelle die Werbung. Der erste Prospekt erschien ils bescheidenes Heftchen. In mühsamer Arbeit sammelten junge Helfer das Adressenmaterial, wobei nan sich zunächst auf Westfalen und das Rheinland konzentrierte. Später ging die Werbung in gleicher flehe in den norddeutschen Raum hinein. Werbeunterlagen über Schieder erschienen in den Vorzimmern ler Ärzte und den Umlaufmappen von Industrieunternehmen. Als erfolgreich erwiesen sich auch Anzeigen und Aufsätze über den Luftkurort in den Tageszeitungen. Einmal gelang es sogar, den Rundfunksender Münster zu einem Bericht über unser Dorf zu veranlassen.
Unterdessen arbeitete man im Ort selbst daran, den Fremden den Aufenthalt möglichst angenehm zu gestalten. Schilder wiesen auf schöne Wanderwege hin. Längs der Wege und an besonderen Aussichtspunkten stellte man Ruhebänke auf. Christian Lau hatte in dieser Richtung bereits vor dem ersten Weltkrieg einen Anfang gemacht. Bei seinem Plan, nicht nur eine eigene Wasserleitung anzulegen, sondern auch Bänke für seine Gäste am nahen Waldrande aufzustellen, hatte er allerdings einige Schwierigkeiten. Auf ein entsprechendes Gesuch an den fürstlichen Hof erhielt die Wirtschafterin des Hauses Waldesruh unter dem 31. Juli 1906 folgende Antwort:
„Geehrtes Fräulein!
Nachdem den höchsten Herrschaften ich Ihre Wünsche vortrug, bin ich in der Lage, Ihnen folgendes zu berichten: Seine Durchlaucht der Fürst hatten die Gnade, meinem Manne aufzutragen, der Fürstlichen Forst-direction Mittheilung Ihrer Bitte bezüglich der Röhrenlegung (Wasserleitung) sowie Anlegung einiger Sitzplätze an der Waldesgrenze zu machen. Durch die Fürstliche Forstdirection werden Ihnen die gefaßten Beschlüsse zugehen. Weiteres bin ich zu thun leider nicht in der Lage.
Mit besonderer Hochachtung bin ich, geehrtes Fräulein, Frau von Malachowski geb. Freiin von Langen"
Zur Erklärung muß hinzugefügt werden, daß damals nicht nur die Forstdirektion, sondern auch Bevölkerungsteile sich dem beginnenden Fremdenverkehr gegenüber ablehnend verhielten. Manche Leute waren nämlich der irrigen Meinung, die Gäste würden den Einwohnern die Lebenshaltung verteuern. Etwa zur gleichen Zeit, als in Schieder der Verkehrsverein entstand, wurde in Detmold der Verkehrsverband „Teutoburger Wald" mit Sitz in Detmold ins Leben gerufen. Eine Untergruppe des Verbandes bildete sich im Lippischen Südosten Ende der 20er Jahre unter dem Namen „Rund um das Hohe Mörth". Ihr gehörten Schwalenberg, Rischenau, Niese, Hummersen, Köterberg, Wörderfeld, Sabbenhausen, Elbrinxen und Schieder mit Glashütte an. Sitz der Untergruppe war Schieder, den Vorsitz führte Wilhelm Lau. Diese erste Gründung führte nicht zu den erwarteten Erfolgen. Im Jahre 1954 gründete man einen neuen Unterverband „Lippischer Südosten".
Den Anregungen einiger Fortschrittlicher folgend, befaßte sich die Gemeindevertretung Anfang 1928 zum erstenmal mit dem Gedanken, in Schieder eine Badeanstalt zu erbauen. Einheimischen und Gästen hatte bis dahin die Emmer genügend Bademöglichkeiten geboten. Mit zunehmendem Verkehr traten hier aber Unzuträglichkeiten auf. Sorglose Damen ließen manchmal Haarnadeln auf den Weiden liegen, und die Kühe fraßen sich krank daran. Die Geschädigten verlangten ein Badeverbot. Hieraus entspringende Überlegungen wie auch Bedenken gesundheitlicher Art gegenüber dem Baden in offenen Gewässern veranlaßten die Gemeindevertreter Wilhelm Lau und Gustav Schmidt, den Bau einer Badeanstalt offiziell zu beantragen.
Die Gemeindevertretung lehnte zunächst mit der Begründung ab, es sei kein Geld vorhanden. Und tatsächlich lelief sich der Gesamtetat Schieders damals nur auf 18 000 bis 20 000 Mark jährlich. Bei einem neuen Antrag egte Wilhelm Lau sowohl einen Bauplan wie einen Finanzierungsvorschlag vor. Nach den hierauf ein-;eholten Kostenanschlägen hatte man mit etwa 32 000 Mark Baukosten zu rechnen. Für die Gemeinde väre das eine zu hohe Belastung geworden. Die Regierung, das Sozialwerk des Eisenbahnerverbandes und ler Verkehrsverein boten Zuschüsse in Höhe von insgesamt 14 000 Mark an. Als dann noch der Bankdirektor Carl Keßler aus Zürich für die Restfinanzierung einen Kredit zu 4 % in Aussicht stellte — im allgemeinen nußten damals 10 bis 12 °/o bezahlt werden —, schwanden die letzten Bedenken.
Dem Vorhaben, die Badeanstalt auf Maertens Kamp anzulegen, stellten sich Schwierigkeiten in den Weg. Die Besitzer der oberen und unteren Mühle, Christian Schäfer und August Beckmeier, erhoben Einspruch nit dem Hinweis, daß sie ein verbrieftes Recht an dem Wasser hätten. So erbaute man die Badeanstalt chließlich an der heutigen Stelle in den Emmerwiesen neben dem Schloßgarten. Die Herstellung des ieckens übernahm die Firma Friedrich Beckmeier, während das Bauunternehmen Carl Schäfer die Zuleitung nlegte. Über 1100m wurde das Wasser aus den Wiesen unweit der Schmiede Büngener herangeführt. Als ich nach Jahrzehnten zeigte, daß die Baumwurzeln die Leitung zerstörten, entnahm man das Wasser nach lern letzten Kriege dem unteren Schloßgartenteich. Die Platzwahl war auch insofern glücklich gewesen, als ;anz in der Nähe 1929 der Sportplatz entstand.
)ie Einweihung der Badeanstalt am 25. August 1929 war für Schieder ein großer Tag. Neben den Ver-retern der Regierung, des Jugendherbergswerks, der Turnverbände hatten sich die Schwimmvereine aus Detmold und Hameln sowie zahlreiche Gäste eingefunden. Die Feier begann um 15.00 Uhr. Der erste Ledner Gustav Schmidt als Vorsitzender des Badeausschusses übergab die Anlage der Obhut der Gemeinde, hm folgten Vorsteher Hölting mit Begrüßungsworten, Oberregierungsrat Corvey mit Glückwünschen ler Regierung und der Vorsitzende des Landesfachausschusses für Leibesübungen, Oberlehrer Röhr, Detmold, lit der Weiherede. Das Ereignis fand seinen Abschluß mit Wettkämpfen der anwesenden Schwimmvereine. 959 wurde die durch Kriegseinwirkungen beschädigte Badeanstalt erneuert.
lu den Förderungseinrichtungen zählte über kurze Zeit der „Rote Wagen". Die 1929 gegründete Omnibus-rerkehrsgesellschaft kaufte diesen Omnibus für 10 500 Mark, um den Gästen auf bequeme Weise lie Schönheiten der Umgebung zeigen zu können. Schwierigkeiten mit der NSDAP führten schon nach Jahren zur Auflösung des Vereins. Der „Rote Wagen" wurde verkauft.
m Wappen Schieders erscheint neben der Krone Karls des Großen und der lippischen Rose auch der Kahlen-urm als Wahrzeichen des Ortes. Bis um 1900 war es ausschließliches Vorrecht der Fürstlichkeiten, von dort ben den weiten Blick zu genießen. Wer den Förster Mischer gut kannte, konnte sich später den Schlüssel usleihen. Erst nach der Fürstenzeit stand der Turm dann allen offen. Da sich niemand für die Erhaltung uständig fühlte und schon Verfallsspuren sichtbar wurden, übernahm ihn die Gemeinde 1927. Erster Turm-rärter war Wilhelm Tolle. Er hat in seinem Rucksack manches Mal Erfrischungen für Besucher den Berg linaufgeschleppt, und wenn auf dem Turm die Fahne wehte, wußte man, Wilhelm Tolle ist oben.
In der Entwicklung des Luftkurortes hat auch die Quelle am Nessenberg ihre Rolle gespielt. Sie entspringt auf einem Grundstück des Barons von Donop (Wöbbei). Lange Zeit nutzte das Staatsbad Meinberg ihr Wasser ausschließlich, es wird auch heute noch in Tankwagen nach Meinberg gefahren. Im Juli 1925 stellte die Gemeinde Schieder beim Lippischen Landtag den Antrag auf pachtweise Überlassung der Quelle. In der Antwort vom 1. Oktober 1925 wurde mitgeteilt, der Aufsichtsrat des Staatsbades Meinberg habe das Entscheidungsrecht über die Quellnutzung. Bad Meinberg lehnte den Antrag ab. Die Absicht Schieders, in der Nähe eine eigene Quelle zu erbohren, führte zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Regierung. Letzten Endes hat Schieder es dem damaligen Landespräsidenten Heinrich Drake zu verdanken, daß ihm schließlich doch die Mitnutzung der Quelle gestattet wurde. Dafür hat es eine jährliche Pachtsumme zu zahlen.
Anfänglich schenkte man den Brunnen im „Prinzenhäuschen" aus. Heute erfolgt der Ausschank in der neuen Brunnenhalle. Auch Glashütte ist in dieser Beziehung mit der Zeit gegangen. Während die Pensionsinhaber vordem den Brunnen aus Schieder mit Korbflaschen abholten und ihn privat ausschenkten, ist jetzt bei der Schaffung eines hübschen kleinen Kurparks in dem neuen Verkehrsbüro auch eine Brunnenausgabe eingerichtet.
Nach der Analyse besteht das Nessenbergwasser aus einer erdig-sulfatischen Kochsalzlösung mit schwankendem Jodgehalt. Es soll besonders gegen Gicht und Stoffwechselkrankheiten wirksam sein.
Schon bald nach 1920 rangierte Schieder hinsichtlich der Zahl der Übernachtungen im lippischen Raum hinter den Staatsbädern Salzuflen und Meinberg. Heute nimmt es unter den Luftkurorten des Regierungsbezirks Detmold eine führende Stellung ein. Für die letzten 3 Jahre (1961 —1963) sind folgende Gästezahlen registriert, wobei Einzelübernachtungen bis zu 3 Tagen nicht mitgezählt wurden:
1961 1962 1963
Schieder 3097 3393 3400 Gäste
Glashütte 2406 2288 2300 Gäste
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5503 5681 5700
Die gesamten Übernachtungen beliefen sich 1963 auf etwa 135 000.
Vor Jahrzehnten ging es einmal darum, Schieder die Anerkennung als Luftkurort zu verschaffen. Voraussetzungen dafür waren bestimmte Messungsergebnisse in bezug auf Sonneneinstrahlung, Niederschläge und den Feuchtigkeitsgehalt der Luft. Heute werden wieder derartige Messungen vorgenommen, wobei zusätzlich auch der Staubgehalt der Luft festgestellt wird. Ziel ist die staatliche Anerkennung als heilklimatischer Luftkurort. Die jetzt schon in Schieder vorhandenen Betreuungsmöglichkeiten — Ärztliche Versorgung, Sanatorium, Kneippanlage — lassen erwarten, daß das gesteckte Ziel bald erreicht wird.