Gottfried Treviranus starb am 16. Januar 1888. Seine Witwe Alma, geborene Höcker, erreichte es mit Hilfe ihres Schwagers, des Oberförsters Maertens, daß ihr die Pachtung für die laufende Periode belassen wurde. Bis 1890 wurde sie dabei von ihrem ältesten Sohn Heinrich unterstützt. Dieser hatte 1885 in Hameln sein Abiturium bestanden, danach in Heidelberg 2 Semester Kameralwissenschaft und Jura studiert, sich anschließend in Leipzig ein halbes Jahr mit dem Studium der Landwirtschaft befaßt und war dann am Harz, in Hessen, Hannover und Westpreußen als Volontär tätig gewesen. 1890 ging die Leitung der Domäne auf den damals 24jährigen über, in bezug auf die Vertragsverpflichtungen blieb die Mutter verantwortlich.
Gottfried Treviranus hatte mit seiner Voraussage über die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt recht behalten. Vorübergehend war es um 1880 für den Arbeitgeber besser geworden. Amtsrat Struckmann aus Hannover vermerkte, als er damals den neuen Meiereianschlag aufstellte, an Arbeitskräften scheine es in Schieder nicht zu fehlen. Seit 1888 aber eröffneten hier mehrere kleinere Industrieunternehmer ihren Betrieb: Doktor Max Laßberg, Chemische Fabrik, — Böhm & Romberg, Chemische Fabrik, — Konopasek, Chemische Fabrik, — Gustav Kellner, Feueranzünderfabrik, — Böhm & Romberg, Siekholz, Feueranzünderfabrik. Alle gingen bis 1893 wieder ein. Nur Böhm & Romberg blieb. Es entwickelte sich daraus das spätere Sägewerk Böhm & Scheidt. Zur Lage um 1895 schrieb Frau Treviranus: „Ziegler und Maurer haben im Ausland augenblicklich wieder so hohen Verdienst, außerdem steigen gerade in Schieder die Löhne durch die Con-currenz der hiesigen Dampfsägerei in solchem Maße, daß meine Tagelöhner fast nur aus den Arbeitern bestehen, welche ich in den ausgebauten Räumen auf dem Noltehof unterbringe. Frauen und Mädchen sind wegen der Nähe von Pyrmont und den gestiegenen Einnahmen der Familienväter selbst zu großstädtischen Preisen nicht mehr zu haben".
Der Preis für Zuckerrüben fiel von 1,20 Mark (1881) auf 80 Pfennig im Jahre 1895. Außerdem wurden für fette Schafe seit 1893 geringere Erträge erzielt. Die Ausfuhr von Schafen nach England und Frankreich war wegen der in Deutschland herrschenden Maul- und Klauenseuche gesperrt. In ihrer Klage über die schlechte Lage der Landwirtschaft führte Frau Treviranus der Kammer gegenüber auch den Weizen- und Roggenpreis an, der 1880 bei 10 Mark gelegen habe, jetzt aber (1895) auf 6,50 Mark gesunken sei. Die Kammer gab ihr allerdings zu verstehen, daß man bei einer solchen Berechnung nicht ein einzelnes schlechtes Jahr zugrunde legen dürfe, sondern auch die guten Jahre berücksichtigen müsse.
Nach einer Tabelle über Kulturen aus dem letzten Pachtjahr der Treviranus waren die Meiereifelder 1898/99 mit 26 Hektar Roggen, 67 Hektar Weizen, 37 Hektar Rüben, einem Hektar Lein, 55 Hektar Hafer, 20 Hektar Bohnen und 8 Hektar Kartoffeln bestellt.
Treviranus wünschten zwar eine entgegenkommende Weiterverpachtung, doch bestand Detmold auf einer öffentlichen Ausschreibung in der „Lippischen Landeszeitung", im „Lippischen Volksblatt" und in 2 Berliner Zeitungen.
Osterwald und Oehlerking
Als neuer Bewerber trat Carl Osterwald aus Bledeln bei Hildesheim auf. Seit 1888 hatte er die Herzoglich Ratiborsche Domäne Corvey gepachtet. Mit 28 500 Mark überbot er Treviranus um 2500 Mark und erhielt am 14. Juli 1898 den Zuschlag. Heinrich Treviranus letztes Schreiben in dieser Sache kam aus Gräfentonna in Thüringen. Wie Treviranus mußte auch Osterwald jährlich Ende September 150 kg Butter nach Detmold an die Hofhaltung liefern. Auf die sonstigen Naturalleistungen ans Schloß Schieder war schon 1880 verziehtet, da, wie es hieß, die Herrschaften ihren Aufenthalt dort nicht mehr nähmen. Unter Osterwald ging die Sechsfelderwirtschaft zu Ende. Sein Vertrag enthielt zwar noch den Passus, daß die Saatenfolge ohne Genehmigung der Rentkammer nicht geändert werden dürfe, doch hatte sich die Verwendung des Kunstdüngers inzwischen durchgesetzt. 1895 werden Kainit und Thomasschlacke erwähnt. Die veränderte Lage kam auch darin zum Ausdruck, daß es Oehlerking 1913 zum ersten Mal in der Geschichte der Meierei gestattet wurde, Stroh zu verkaufen, und zwar bis zu 3000 Zentnern jährlich. Der erste Weltkrieg schnitt Deutschland jegliche Zufuhr aus dem Ausland ab. Damit hörte auch der Import des Stickstoffdüngers auf. Als Ersatz begann Oehlerking 1916 mit einer neuen Düngungsart, der Gründüngung mit Gelbklee. Auch hierfür mußte die Genehmigung der Rentkammer erteilt werden. Als erstes Versuchsfeld diente eine für Roggeneinsaat bestimmte Fläche von 53 Morgen.
In der Frage der Meiereitagelöhner trat bald nach Osterwaids Antritt ein völliger Wandel durch die Anwerbung polnischer Fremdarbeiter ein. Den ersten Beleg über deren Anwesenheit in Schieder verdanken wir einer Beschwerde. Darin wurde Klage geführt, daß im Arbeiterwohnhaus die einzelnen Paare nicht durch Vorhänge voneinander getrennt seien und eine Gefährdung der Sittlichkeit vorliege. Osterwald kaufte allerdings keine Vorhänge, sondern ordnete an, daß die verheirateten Männer auf die Kammer der Unverheirateten ziehen müßten. 1910 wurden 3,38 Hektar vom Berghof und Fliegenbusch an die Lippische Holzverkohlung GmbH verkauft und aus der Pachtung herausgenommen.
Am 12. September 1912 telegraphierte die Frau Oberamtmann Louise Osterwald, geborene Hartmann, dem Kammerrat Böhmer, ihr Mann sei plötzlich gestorben. Da sie nicht imstande war, die Pachtung weiterzuführen, schloß sie am 24. Oktober 1912 einen Zessionsvertrag (Ubertragungsvertrag) mit dem Landwirt Georg Oehlerking aus Wülfingen bei Hannover ab. Oehlerking hatte nach einer Reihe von Inspektorenjahren seit 1907 ein eigenes 780 Morgen großes Gut in Neukünkendorf, Kreis Angermünde, bewirtschaftet, das er nun verkaufte. Die Übergabe der Domäne erfolgte am 27. Februar und 1. März 1913. Im Neuverpachtungs-termin vom 27. 7. 1916 gab Oehlerking mit 26 000 Mark das höchste Gebot ab. Am 4. August 1916 übertrug ihm die Rentkammer die Pacht vorbehaltlich der Höchsten Genehmigung und der Zustimmung der Vertrauensmänner des Landtags.
Die Brauerei und Brennerei
Die erste Erwähnung des Hopfens findet sich in der Rechnung von 1539, wo Gerd Langen eintrug: „tho schier an hoppen geplocket wall 24 molt". 1555, als die einzelnen Personen aus dem Gesinde noch mit Vornamen und der Beschäftigung bezeichnet wurden, wird Johann Hoppener genannt. 1595 erhielt Hans Drüsten einen Taler „vf die handt" (Weinkaufsgeld) dafür, daß er „den hoppen zu beschneiden und zu verwahren" hatte. 1641/42 bekam der Hoppener von Belle wegen Wartung des Hoppenhofes einen Taler 18 Groschen, 1646 hatte Hans Reutter aus Belle die Hopfenwärterstelle, 1658 der alte Stüter aus Belle. Sein Jahreslohn betrug 3 Taler. Der Hopfengarten war 1611 einen Morgen ein Viertel groß, 1646 heißt es, der Hopfengarten liege auf den Langen Äckern. Auf einer Karte aus der Bückeburger Zeit ist er im Winkel zwischen Brunnenhalle und Allee eingezeichnet, anscheinend hat er immer auf derselben Stelle gelegen.
1789 lautete eine der Pachtbedingungen: „ist verbunden, 2 Scheffel mit Hopfen zu bebauen". 1802 wurde Hopfenbau nur noch möglichst empfohlen, er hatte inzwischen schon an Bedeutung verloren. 1604 heißt es, daß die Braupfanne umgesetzt werden mußte. Das Inventarverzeichnis von 1611 zählt unter den Gebäuden das Back- und Brauhaus sowie einen Bierkeller im Küchengebäude auf. Der Brauereibetrieb muß eine ansehnliche Größe gehabt haben, 1658 gab der Amtsschreiber 9 Fuder 32 Scheffel 3 Metzen Malz (gekeimte und gedarrte Gerste) zum Brauen heraus.
Neben der Brauerei bestand eine Branntweinbrennerei. Man brannte aus Roggen, Weizen, Hafer oder auch aus Rauhfutter. Als 1790 der Roggen knapp zu werden begann und die Regierung seine Verwendung zur Schnapsherstellung verbot, erreichte Verwalter Meyer für die Meierei eine Ausnahmegenehmigung. Er gab an, der Hof könne ohne Brennen nicht bestehen. Weizen würde wenig angebaut, Hafer enthalte nicht viel Spiritus, das Rauhfutter aber, wenn mehr als ein Achtel zugesetzt würde, „in den brantewein Topf ansitzen geht und dann der brantewein ein brennergen und starken geschmack hat". Da der Krug ein Ausschankmonopol für Branntwein besaß, durfte die Meierei das Getränk nicht glasweise, sondern nur in Mengen von mindestens einer achtel Kanne verkaufen.
Zwangsabnehmer war die Glashütte. Von den 1789 hergestellten 12 Faß (ein Faß etwa 200 Liter) gingen 4 Faß nach dort. Bier wurde um diese Zeit an die Glasmeister nicht mehr verkauft, doch hat in früheren Zeiten ein Zwangsdebit auch hierfür bestanden, und zwar anscheinend zuerst für das auf der Meierei Barn-trup hergestellte Bier. 1735 beschwerte sich Oberförster Pählig bei der Gräfin, Amtmann Ribbentrop dränge den Glasmeistern sein nicht zu genießendes Bier auf. Endgültig erledigt wurde die Angelegenheit im Stadt-hagener Vergleich von 1748. Im Artikel 10 heißt es, der Graf von Schaumburg habe sich ausbedungen, künftig davon Abstand zu nehmen „daß die Glasemeistere zu Schieder das Bier von der Meierei Barendorf nehmen müßen". Für die Meierei Schieder enthielt der Pachtvertrag noch 1778 eine Klausel, wonach der Pächter bei Aufhören der Glashütte keine Vergütung wegen „des dahin zu konsumierenden Bieres" zu beanspruchen habe.
Seit 1790 gingen Brauerei und Brennerei zurück. Die Napoleonischen Kriege und die Festlandsperre verursachten eine wachsende Kornknappheit, die Leute hatten kein Geld mehr, und vor allem stockte der Absatz der Glashütte. Sie war damals hier die einzige Industrie, von der die ganze Umgegend lange Zeit profitiert hatte. 1808 klagte der Pächter, er könne den vielen vorrätigen Branntwein nicht absetzen. Nachdem die Glashütte 1818 als Abnehmer ganz ausgefallen war, urteilte man 1825, die große Brennerei schade der Meierei mehr, als daß sie ihr nütze. Im Pachtanschlag wurde vorgeschlagen, die Holzzuweisung für den Betrieb der Brennerei von 160 Klaftern auf 100 herunterzusetzen. Das war damals noch eine riesige Menge, wenn man bedenkt, daß die kleinen Eingesessenen im Amte Schieder, die ihr Brot im Winter mit Spinnen verdienen mußten, je Haushalt nur eine halbe Klafter erhielten. Caspari wehrte sich gegen die Einschränkung mit dem Hinweis, daß die Brennereien in Schwalenberg und Blomberg weit größer seien und er nicht einsehe, warum gerade seine von nachteiligem Umfang sein sollte.
Treviranus erhielt in der ersten Pachtperiode zwar noch eine erhöhte Holzzuweisung von 110 Klaftern, seit 1852 aber nur noch 30 Klafter.
Früchte, Fruchtwechsel und Düngung
Seit alten Zeiten hat es bis zum Beginn des vorigen Jahrhunderts bei den angebauten Fruchtarten keine Veränderungen gegeben. Hauptfrucht war seit Anbeginn der Roggen, das Brotkorn. 1539 wurden „tho schier gedroschen an roubben" 236 Molt. Nach den alten lippischen Maßen bis zum 1. Januar 1872 galt ein Molt (Malter) 12 Scheffel, 1 Roggenscheffel 44 Liter. (Ein Liter Roggen wiegt etwa 850 Gramm). Weizen wurde zwar weniger, aber doch auch schon in den ältesten Zeiten angebaut. 1539 wurden am Montag nach Antonius 8 Molt Weizen nach Detmold gebracht. 1584 lieferte der Kornboden 4Va Scheffel Weizen zur Küchenspeise, 1655/56 vom 24. Oktober bis zum 9. August 6 Scheffel Weizen zu Pfannkuchen in die herrschaftliche Küche.
Jahrhundertelang hat in der unteren Mühle eine Schlagmühle bestanden, in der aus Rübsamen öl geschlagen wurde. Während die frühen Geldregister von 1539 ab laufend Einnahmen aus der Ölmühle enthalten, war die Mühle seit 1641 für ein „ständiges Geld" verpachtet.
Von 1555 ab erscheint im Kornregister Rauhsaat, danach auch Rauhfutter genannt, ein Gemenge aus Hafer, Wicken, Erbsen, Bohnen und Pferdebohnen zur Grünfütterung.
Seit 1658 sind Drespen (Trespen) belegt, angebaute Futtergräser, heute nur noch als Unkraut bekannt. Ebenfalls unbekannt geworden ist der Linsenanbau, im Geldregister seit 1594 angegeben.
Einen ersten Beleg für den Obstbau lieferte der Kornschreiber, als er 1595 einen Betrag von 2V2 Taler 2 Groschen eintrug „vor Epfel so ich verkauft". 1611 wurde die Größe des Apfelhofs mit 2 Morgen ein Viertel vermessen. Zwetschen scheinen damals noch eine Rarität gewesen zu sein und sind wahrscheinlich hier nicht gezogen. Bei einem Grafenaufenthalt 1603 gab der Schreiber für 2 Pfd 6 Groschen aus, das waren 2 Tagelöhne. 1766 besaß die Meierei einen „Eisernen Bestand" an Obstbäumen von 99 Äpfel- und Birnbäumen, 8 Zwetschen- und 7 Kirschbäumen. Wiederholte Anregungen der Rentkammer führten zur Anlegung eines Musterpflanzgartens und zum verstärkten Obstbau, wobei Versuche mit bisher unbekannten Sorten durchgeführt wurden, im Wallgarten entstand dabei sogar ein Weinberg. 1812 wurden 18 Weinstöcke gezählt, 1822 = 31 und 1826 = 38. Der gesamte Obstbaumbestand betrug 1822: 31 Weinstöcke, 7 Pfirsiche, 14 Aprikosen, 38 Pflaumen, 362 Zwetschen, 108 Kirschen, 348 Äpfel und 112 Birnen. Obstgärten waren der nördlich der Meiereigebäude gelegene Kohl- oder Ochsengarten, der Wall- oder Küchengarten zwischen Mühlgraben und Meiereigebäuden (neben dem jetzigen Schafstall) und ein besonderer Baumhof zwischen Maertens Garten und dem Teehaus. Infolge der Abtretung des Baumhofs zur Vergrößerung des Schloßgartens vermindert sich der Obstbaumbestand 1833 um 130 Äpfel-, 18 Birn- und 278 Zwetschen-bäume.