Ein Postvertrag mit Preußen war bereits 1774 in Meinberg abgeschlossen worden, er wurde infolge der veränderten Wirtschafts- und Verkehrsverhältnisse am 1. Mai 1834 durch einen neuen Vertrag ersetzt. Da die kurhessische Post im Jahre 1816 pachtweise auf den Fürsten von Thurn und Taxis übergegangen war und dieser damit wichtige kurhessische Postkurse in Lippe übernommen hatte, wurden auch mit ihm durch Vertrag vom 6. November 1834 die postalischen Verhältnisse auf eine neue Grundlage gestellt. Mit Taxis wurde vereinbart, daß der Fahrpostkurs Detmold-Hannover über Schieder-Pyrmont und Hameln neben der neu einzurichtenden Preußischen Fahrpost weiterbestehen sollte. Zum Ausgleich der Einbußen, die die Taxissche Post infolge des Wettbewerbs mit der Preußischen Post zu erwarten hatte, wurde ihr gestattet, auch auf dem Kurse Rischenau-Schwalenberg-Schieder-Wöbbel-Belle-Meinberg-Detmold neben den Preußischen Fahrposten eigene Fahrposten, Poststationen, Postexpeditionen und Briefsammlungen nach Verständigung mit der Lippischen Regierung einzurichten. Die Anlage eines Fahrpostkurses von Rischenau über Schieder, Blomberg, Alverdissen nach Rinteln wurde vorbehaltlich näherer Abreden zugestanden. Rischenau hatte damals eine besondere postalische Bedeutung, weil es an der kurhessischen Poststraße von Kassel über Höxter—Pyrmont nach Bremen lag.
Mit der Einrichtung der Taxisschen Fahrpost Rischenau—Detmold im Jahre 1836 beginnt die eigentliche Postgeschichte Schieders. Vorher war es wie auch Schwalenberg auf die Poststation in Blomberg angewiesen. Wie K. Ludolph in seinem Buch „Die Postgeschichte des Landes Lippe" schreibt, soll nachweislich bereits im Jahre 1832 eine preußische Postkollektion in Schieder bestanden haben, die von Detmold über Hörn und Meinberg und von Lemgo über Alverdissen, Barntrup und Blomberg Verbindung erhielt. Sie soll von dem Briefsammler Lohmann versehen worden sein. Bezüglich der Tätigkeit Lohmanns im preußischen Postdienst zu dieser Zeit sind aber Zweifel erlaubt, denn als im Jahre 1837 die Taxissche Postkollektion neubesetzt werden mußte, und Lohmann als Gehilfe des Postkollekteurs im Gespräch war, ergab sich, daß er sich erst einige Monate notdürftig im Postdienst betätigt hatte.
Die Botengängerei
In den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts kann das Bedürfnis nach Einrichtung einer Poststation in Schieder nicht groß gewesen sein. Die Einwohnerzahl war gering. Eine gewisse Bedeutung in postalischer Hinsicht hatten die fürstlichen Behörden wie das Amt und die Oberförsterei. Auch das fürstliche Hoflager während der Sommermonate verdient Erwähnung. Die fürstlichen Stellen in Schieder hätten einer Poststation sicher zu einer gewissen Bedeutung verholfen, wenn nicht der Postverkehr nahezu ausschließlich auf Detmold abgestellt gewesen wäre. Die Verbindung mit der Landeshauptstadt wurde von altersher durch Amtsboten gepflegt, die regelmäßig die Strecke Schieder—Detmold begingen. Schieder hatte Verbindung mit Detmold durch den Sehwalenberger Amtsboten. Er beförderte die Dienstpost der Ämter Schieder und Schwalenberg, dazu die Gelder der Amts-, Forst- und Domänenkassen, Kontributionsgelder, Rent- und Zinsgefälle und anderes. Es war ihm erlaubt, Privatpost gegen Vergütung mitzunehmen. Für die Schuldner der Leihekasse in Detmold besorgte er die Zahlung der fälligen Kapitalien und Zinsen. Der Botengang nach Detmold fand einmal in der Woche statt.
Im April 1833 regte die Lippische Regierung an, den Meinberger Botengang außer der Kurzeit einzustellen und dagegen den Schwalenberger Boten gegen eine Zulage von etwa 10 Reichstalern im Jahr zweimal wöchentlich gehen zu lassen. Die Ämter Schwalenberg und Schieder sollten sich dazu gutachtlich äußern, Schwalenberg den Boten Tolle dahingehend vernehmen, ob er den zweiten Botengang zu übernehmen bereit sei.
Tolle verlangte für den zweiten Botengang 20 Rth., mußte sich schließlich aber mit 12 begnügen. Er hatte den wöchentlichen Botengang fast dreißig Jahre ausgeführt. Infolge seines vorgerückten Alters wurde ihm gestattet, sich durch seinen Sohn vertreten zu lassen. Die Ämter begrüßten den zweiten Botengang besonders deshalb, weil sie die Intelligenzblätter, die damalige lippische Zeitung, früher erhielten. Es könnte dadurch auch ein Extrabote in eiligen Fällen eingespart werden.
Der zweite Botengang wurde nicht lange durchgeführt, ein wöchentlicher aber bis 1851 aufrechterhalten. Im Juli dieses Jahres wurde dem Boten Conrad Tolle mitgeteilt, daß er den Botengang noch bis Jahresende versehen könne. Er bat die Rentkammer über das Amt, ihm einen im Jahre 1831 angeschafften Tornister und eine noch ältere lederne Brieftasche, beide sehr abgenutzt, geschenkweise zu überlassen. In Geldtransporten und sonstigen Angelegenheiten wolle er auch künftig nach Detmold gehen.
Die Botengängerei war eine Ersatzpost, sie war aber auch eine auf dem Untertanenverhältnis beruhende Verpflichtung der Bevölkerung gegenüber der Landesherrschaft. So ergibt sich aus dem Briefwechsel der Regierung mit dem Amt Schwalenberg, daß vor Einstellung des Schwalenberger Amtsboten die herrschaftliche Korrespondenz durch Reisegänger unentgeltlich nach Detmold befördert werden mußte. Für die Befreiung von dieser Verpflichtung hatten die Dörfer der Kirchspiele Falkenhagen und Elbrinxen einen jährlichen Beitrag von 8 Rth. zum Botenlohn zu zahlen, der bei wöchentlich zweimaligem Gang nach Detmold 35 Rth. betrug. Für diesen Lohn waren bei zweimaligem Gang in der Woche etwa 120 Kilometer, im Jahr mehr als 6000 km zu gehen. Die beiden Tolles, Vater und Sohn, haben in den vier Jahrzehnten ihrer Botengängerei eine Kilometerstrecke bewältigt, die dem Mehrfachen des Erdumfangs entspricht.
Die Einrichtung der Postkollektion Schieder
Am 1. Juli 1836 wurde die zweimal wöchentlich zwischen Rischenau und Detmold über Schwalenberg und Schieder verkehrende Taxissche Fahrpost eröffnet. In dem am 6. November 1834 zwischen Lippe und Taxis abgeschlossenen Postvertrag war die portofreie Beförderung der herrschaftlichen Briefe, Gelder und Pakete festgelegt worden, so daß künftig mit ihr diese Sachen nach und von Detmold versandt werden konnten. Die Detmolder Regierung teilte dem Amt Schwalenberg am 26. Juli 1836 mit, daß der bisherige Amtsbotengang eingehen könne. Bei notwendiger Beibehaltung genüge ein einfacher Gang. Hinsichtlich der Organisation der neuen Fahrpostlinie hatte es der Taxissche Postkommissar für Lippe, Postmeister Pothmann in Lemgo, übernommen, die erforderlichen Poststellen einzurichten. Es war notwendig, in einem Haus, an dem die Post vorbeifuhr, eine Briefkollektion einzurichten, bei der die herrschaftlichen Briefe und Gelder abgegeben werden konnten.
Das Amt Schieder schrieb der Regierung am 15. August, daß es Pothmann wunschgemäß einige Subjekte in Schieder in Vorschlag gebracht habe, denen Postgelder anvertraut werden könnten und die auch in sonstiger Hinsicht, so durch die Lage ihrer Wohnungen an der Poststraße, qualifiziert und zur Annahme der Kollektion geneigt seien. Die Postbehörde müsse nun eine Auswahl treffen. Postmeister Pothmann wünschte in Schieder und Schwalenberg keine Briefsammelstelle, sondern eine wirkliche Postkollektion. Er schrieb der Regierung, daß er in Schieder, vorbehaltlich ihrer Genehmigung, bereits mit dem Chausseegelderheber Wilkens Übereinkunft wegen der Übernahme der Kollektion erzielt habe. Derselbe werde, nachdem ihm nähere Weisung erteilt sei, gegen eine von der Taxisschen Postverwaltung zu zahlende Vergütung die getreuliche Besorgung des Postkollekteurdienstes übernehmen und sich verpflichten, die ihm übergebenen Briefe, Gelder und Pakete zu besorgen, dafür mit seinem ganzen Vermögen zu haften und eine besondere Kaution von 400 bis 500 Rth. durch gerichtliche Deponierung zu leisten. Da mit dieser Einrichtung zugleich für das Publikum gesorgt sei, dürfe er um das Einverständnis der Regierung bitten. Dieses wurde denn auch wenig später gegeben. Am 23. Dezember 1836 erklärt sich auch die Taxissche General-Postdirektion einverstanden. Sie überträgt einstweilen dem Wilkens die Leitung. Die Postgeschichte Schieders hatte nun amtlich begonnen. Der Postkollekteur Wilkens war neben seinem Amt als Chausseegelderheber auch Pächter des Schiederschen Kruges, der Eigentum der Witwe Schlue war. Der Krug, das spätere „Deutsche Haus", wurde 1945 durch Kriegseinwirkung zerstört, in ihm befand sich die Schiedersche Post bis Ende 1872.
Wiederbesetzung der Postkollektion Schieder
So einfach die Bestellung des ersten Postkollekteurs in Schieder war, so umständlich gestaltete sich die Wiederbesetzung der Stelle nach dem bereits 1837 erfolgten Tode Wilkens. Dessen Witwe hatte die Postgeschäfte nach dem Tode ihres Mannes geführt und war dabei von einem Verwandten namens Lohmann unterstützt worden. Sie bat die General-Postdirektion, ihr die Postkollektion amtlich zu übertragen. Sie wolle sich auch fernerhin der Hilfe Lohmanns bedienen. Die Direktion unterrichtete die Lippische Regierung über diese Bitte mit dem gleichzeitigen Bemerken, daß sie über die Verhältnisse der Wilkens und die Qualifikation Lohmanns befriedigende Auskunft erhalten habe. Sie sei nicht abgeneigt, der Bitte zu entsprechen.
Allerdings sei das Haus nebst Schlagbaum und Krugwirtschaft nicht Eigentum, sondern Pachtung, welche in drei Jahren zu Ende gehe. Dadurch könnten sich leicht die Verhältnisse der Witwe Wilkens zu ihrem Nachteil ändern und die fernere Überlassung der Postkollektion an sie unmöglich werden. Mit Rücksicht hierauf und um nachteilige Wirkungen auf den Postdienst auszuschließen, sei beabsichtigt, der Witwe Wilkens die Post nur widerruflich und mit der Auflage zu belassen, daß 1. sie sich in der Person des Lohmann einen verpflichteten, jedoch auf alle Anstellungsansprüche verzichtenden Gehilfen halte, 2. für dessen dienstliche Handlungen überall einstehe und 3. die Kaution stelle.
In einem Gutachten, das die Regierung vom Amt Schieder erbeten hatte, wird einleitend festgestellt, daß bei der Besetzung der erledigten Stelle Tüchtigkeit in den Arbeiten des Postdienstes, Kautionsfähigkeit und sonstige Umstände in Betracht kommen. Die Witwe Wilkens sei ohne einen Gehilfen nicht in der Lage, den Postdienst zu versehen. Sie habe auch zu wenig Bildung, um sich die für den Postdienst erforderlichen Kenntnisse aneignen zu können. Lohmann sei zwar jetzt auch nicht sehr bewandert, habe sich aber in den drei Monaten seiner Tätigkeit darin umgesehen und den Dienst, wovon er früher wenig oder nichts verstanden habe, doch notdürftig versehen. Da er nun auch im Schreiben und Rechnen wohl erfahren sei, so lasse sich erwarten, daß es ihm nach und nach gelingen werde, sich in die Sache „hineinzuarbeiten". Am schnellsten würde das geschehen, wenn ihm für etwa vier bis sechs Wochen ein schon mit den Geschäften vertrauter Postoffizient beigeordnet werde.
Die Witwe Wilkens besitze hier, und soviel bekannt sei, nirgends ein Grundeigentum, das für die Dienstkaution verpfändet werden könnte. Sie könne die Kaution auch nicht in barem Gelde leisten, da dieses in ihrer Wirtschaft stecke. Die Eigentümerin des Schiederschen Kruges, die Witwe Schlue, welche für den verstorbenen Wilkens die Kaution von 400 Rth. gestellt habe, sei geneigt, diese seiner Witwe zu belassen. Sonst beständen keine Bedenken. Die Witwe Wilkens führe eine gute Wirtschaft und könne den Reisenden ein gutes, reinliches Zimmer anweisen. Ein sonstiges Subjekt sei schwer zu ermitteln. Daher bleibe für Thurn und Taxis keine andere Wahl, als die Witwe Wilkens mit der Stelle zu betrauen.
Die Detmolder Regierung unterrichtet die General-Postdirektion in Frankfurt in diesem Sinne und erklärt ihr Einverständnis mit der vorgeschlagenen Lösung. Sie legt besonderen Wert auf die notwendige Instruktion des Lohmann. Die Direktion übermittelt darauf der Wilkens die Anstellungsurkunde als Briefsammlerin und ordnet zugleich an, daß Lohmann zweimal wöchentlich durch den Postskribenten Brandau aus Rischenau vier bis sechs Wochen lang gründlich im technischen Postdienst unterwiesen wird.
Die Preußische Post in Schieder
Heinrich Lohmann stand als Gehilfe des Postkollekteurs in Schieder im Dienste des Fürsten von Thurn und Taxis. Da Preußen durch den Postvertrag mit Lippe vom 1. Mai 1834 die erwünschte Gelegenheit erhalten hatte, die Verbindung zwischen seinen östlichen und westlichen Landesteilen mittels der Postkurse durch Lippe zu verbessern, vor allem den ungehinderten Durchgang zwischen Steinheim und Lügde über Schieder erhielt, richtete es in Schieder eine Briefsammlung ein, die Lohmann übertragen wurde. Er stand nun im Dienste zweier Herren. Das war damals nichts Ungewöhnliches, war doch der Blomberger Postexpediteur Piderit zeitweise taxisscher, kurhessischer und preußischer Postbediensteter, daneben noch Stadtrichter und Manufakturwarenhändler.
Preußen legte 1836 die Schnellpost Paderborn—Hannover über die Strecke Detmold—Blomberg—Schieder—Pyrmont. Über Schieder führte 1842 eine wöchentlich zweimalige Botenpost Brakel—Pyrmont. Allzuviel Arbeit scheint Lohmann mit der Preußischen Post nicht gehabt zu haben, denn an persönlichen Ausgaben werden für Schieder im Jahre 1840 nur 20 Rth. ausgewiesen. Das war der weitaus geringste Betrag bei allen von Preußen in Lippe unterhaltenen Poststellen.
Die preußischen Posten in Lippe erwiesen sich bald als unwirtschaftlich. Die Gründe hierfür waren in den hohen Chausseegeldern, in der Portofreiheit des fürstlichen Hauses und der Behörden sowie in dem Privatbotenwesen zu sehen. Was die Portofreiheit anging, so waren nach dem Vertrag mit Taxis in Schieder Portofreiheit in Dienstangelegenheiten dem Amt, dem Amtsschreiber als Hebungsbeamten, dem Oberförster, dem Meiereipächter, dem Hofgärtner und dem Schullehrer zugestanden. Preußen hatte Lippe ähnlich weitgehende Portofreiheit zugestehen müssen. Da durch den Bau der Eisenbahn von Hannover über Minden nach Köln die Vorteile des Durchgangs seiner Postkurse durch Lippe wegfielen, kündigte es den Postvertrag zum 30. September 1845. Alle preußischen Postbediensteten in Lippe erhielten die Kündigung, darunter auch der Schiedersche Briefsammler Lohmann. Taxis war nun der alleinige Inhaber des Postregals in Lippe.