Holztransport nach dem Bahnhof
Es ist zur Abrundung dieses Bildes des Baues unserer Eisenbahn noch zu bemerken, daß die Hannover-Altenbekener-Eisenbahngesellschaft schon bald nach der Betriebsaufnahme die Verwaltung und den Betrieb ihrer Bahn auf die Magdeburg-Halberstädter-Eisenbahngesellschaft übertrug. Sie ging dann mit dieser durch Vertrag vom 8. Juli 1879 auf den preußischen Staat über und wurde am 1. April 1881 der Preußischen Eisenbahndirektion Hannover eingegliedert.
Lippische oder preußische Farben
Einiger Episoden aus der frühen Geschichte unserer Eisenbahn soll noch gedacht werden. Sie sind der Ausdruck einer Zeit, die sich in Förmlichkeiten, Eifersüchteleien, Selbstbewußtsein und unbedingtem Hoheitsanspruch verlor.
Am 18. September 1872, kurz vor Eröffnung der Bahn, schrieb Eisenbahndirektor Keil dem fürstlich lippischen Hofmarschall von Issendorff, „falls es Seiner Durchlaucht, Ihrem Allergnädigsten Fürsten genehm sein sollte, werde ich für das Stationsgebäude zu Schieder als Hauptfahne die fürstlich lippische Wappenfahne mit der lippischen Rose anfertigen lassen. Da mir jedoch eine richtige Zeichnung der lippischen Wappenrose und die Farbenzusammenstellung nicht zur Hand ist, so würde mich Euer Hoch-wohlgeboren zu besonderem Dank verpflichten, wenn Sie mich recht bald von der Entschließung Seiner Durchlaucht benachrichtigen und mir eine Skizze und Beschreibung der lippischen Wappenfahne zukommen lassen wollte". Bereits einige Tage später konnte der Hofmarschall antworten, daß der Fürst die Anbringung der fürstlich lippischen Fahne als Hauptfahne auf dem Bahnhof in Schieder gern gnädigst gestattet habe. Er hatte aber bald darauf Grund zur Klage, denn bei der Übersiedlung des fürstlichen Hoflagers nach Schieder im Juni 1873 wurde festgestellt, daß nicht die fürstlich lippische Fahne, sondern die deutsche Reichsfahne als Hauptfahne aufgezogen war. Die lippische Fahne war auf dem kleinen Anbau gehißt, der den Wartesalon des Fürsten enthielt. Issendorff schreibt der Eisenbahngesellschaft, „so berechtigt wie erfreulich selbstverständlich das Anbringen der deutschen Reichsfahne auf öffentlichen Gebäuden und Verkehrsanlagen ist, glaube ich doch der Direktion anheimstellen zu müssen, neben der Reichsfahne auch als Hoheitszeichen die fürstlich lippische Landesfahne auf dem Stationsgebäude zu Schieder aufzuhissen, worüber sich nicht allein die lippischen Landesangehörigen freuen, sondern auch ein von der Direktion ausgesprochener Wunsch erfüllt sein würde".
Wie alle Baustellen, so muß auch der Bahnhof Schieder nach Fertigstellung hinsichtlich der gärtnerischen Ausstattung einen unerfreulichen Anblick geboten haben. Der damalige Bahnhofsvorsteher Riekenberg ließ Bäume, Sträucher und Blumen anpflanzen. Er hatte dafür, wie er im November 1873 dem Hofmarschall berichtete, zwanzig Taler aus eigener Tasche gezahlt. Die Eisenbahngesellschaft verweigerte die Erstattung. Riekenbeig wandte sich über den Hofmarschall an den lippischen Fürsten mit der Bitte, ihm die Mittel für die schon verauslagten und noch zu erwartenden Kosten zu bewilligen, da er selbst sehr ungünstig besoldet und Schieder doch die fürstliche Sommerresidenz sei. Der Fürst lehnte ab. Riekenberg wandte sich im Dezember 1874 erneut an das Hofmarschallamt mit der Feststellung, daß die Eisenbahn weiterhin jeglichen Zuschuß für die Unterhaltung und Vervollständigung der Anlagen verweigere. Aber auch jetzt blieb der Fürst hart. Er ließ Riekenberg mitteilen, daß er dessen Bestrebungen, die Bahnhofsanlagen in Schieder zu verschönern, dankbar anerkenne, aber glaube, daß der gegenwärtige Zustand den dortigen Verhältnissen ganz entspreche. Sollte sich die Notwendigkeit ergeben, im nächsten Frühjahr abgestorbene Sträucher durch frische zu ersetzen, so werde ihm der Schloßgärtner Koch zu Schieder dabei unentgeltlich behilflich sein, soweit Vorrat und Zeit es gestatten.
Am 10. Januar 1873 meldete das Amt Schieder der Regierung in Detmold, daß auf dem Bahnhof Schieder die Schlagbäume und Laternenpfähle schwarz-weiß (preußische Landesfarben) statt rot-gelb (lippische Landesfarben) angestrichen seien. Bei näherer Erkundigung habe der Bahnhofsvorsteher erklärt, daß in der vor der Eröffnung der Bahn herrschenden Eile Pfähle verwendet worden seien, die in großen Mengen für die ganze Bahnlinie bezogen wären. Ein anderer Anstrich erfolge, sobald das Wetter diesen erlaube. Die Regierung erwartet innerhalb von vierzehn Tagen eine Antwort des Amtes über den neuen Anstrich. Dieses teilt fristgerecht mit, daß der Anstrich in den lippischen Landesfarben inzwischen bei den Pfählen hergestellt sei, nicht aber bei der Haupttelegrafenstange und den Signalstangen an den beiden Enden des Bahnhofs mit den Stationstafeln „Schieder". Hier solle die schwarz-weiße Farbe mit Rücksicht auf die Deutlichkeit der Signale unentbehrlich sein. Übrigens seien die Schlagbäume an den Bahnübergängen weiß gestrichen. Beschwerdeführend wendet sich die Regierung an die Eisenbahngesellschaft, vornehmlich mit dem Argument, daß die Pfähle auf Vorstellung des Amts Schieder inzwischen wohl rot-gelb gestrichen seien, nicht aber die Haupttelegrafen- und Signalstangen. Auch diese ließen sich doch wohl in den lippischen Landesfarben streichen. Die Sache endete schließlich damit, daß die Bahn die Beschwerdeführerin davon überzeugen konnte, daß ein Anstrich in den lippischen Landesfarben den Zweck der Signale und Warnungszeichen zu erfüllen ungeeignet sei.
Der Gendarm Koch in Schieder hatte auf seinen Patrouillengängen festgestellt, daß die Schlagbäume von der preußischen Grenze bei Harzberg bis über den Schiederschen Bahnhof hinaus schwarz-weiß statt bisher rot-gelb gestrichen waren. Er meldete dieses am 9. Oktober 1890 dem Verwaltungsamt in Blomberg, das die Meldung an die Regierung in Detmold weitergab. Deren Beschwerde bei der Eisenbahndirektion wurde sofort dahingehend beantwortet, daß hier ein Versehen des Malers vorliege. Der Auftrag zur sofortigen Abänderung werde erteilt werden, und es wird um Entschuldigung gebeten.
Bahnhof vierter Klasse
Schieder war von Anfang an Bahnhof dritter Klasse, dem ein mittlerer Eisenbahnbeamter vorstand. Im Herbst 1908 hörte man von der Absicht der Umwandlung in einen solchen vierter Klasse. Der Gemeindevorsteher Beckmeier in Schieder wandte sich an das Staatsministerium in Detmold mit der Bitte, dieses möge erwägen, ob nicht durch Vorstellung bei der Eisenbahndirektion der bisherige Zustand erhalten werden könne. Statt eines mittleren Beamten erhalte jetzt ein Weichensteller erster Klasse die Bahnhofsleitung. Schieder sei doch Sommerresidenz des Fürsten zur Lippe. Die Eisenbahndirektion antwortet auf die Befürwortung des Ministeriums, daß die Umwandlung nur eine organisatorische Maßnahme ohne Einwirkung auf Betrieb und Verkehr sei. Es werde, da Schieder des Fürsten Sommerresidenz sei, besonderer Wert auf die Auswahl des geeigneten Bahnhofsaufsehers gelegt werden. Wenn der Fürst in Schieder weile, dann könne notfalls ein mittlerer Beamter von Pyrmont nach Schieder beordert werden. Mit Wirkung vom 1. November 1908 wurde Schieder Bahnhof vierter Klasse.
Zweigleisiger Ausbau
Die Eisenbahnstrecke Hannover—Altenbeken war nur eingleisig gebaut worden, doch wurde der Bahnkörper gleich auch für das zweite Gleis ausgelegt. Der zunehmende Durchgangsverkehr erzwang schon vor dem ersten Kriege das Legen dieses Gleises. Am 16. Juli 1914 teilte die Eisenbahndirektion Hannover der Regierung in Detmold mit, daß sie nunmehr mit den Arbeiten beginnen wolle. Wegen des Vorhandenseins des Bahnkörpers brauche sich die landespolizeiliche Prüfung nur auf die Bahnhofspläne und die Entwürfe für die Herstellung von Wegüber- und -Unterführungen als Ersatz für aufzuhebende Wegeübergänge zu erstrecken. Im Oktober des gleichen Jahres ergeht an die Regierung die Bitte, die Prüfung bald vorzunehmen, um den Kostenanschlag für diese Arbeiten abschließen zu können. Es sei beabsichtigt, die Mittel für die Ausführung der Arbeiten zwecks Milderung der herrschenden Arbeitslosigkeit baldigst zu beantragen. Die Prüfung fand am 22. Januar 1915 statt. Treffpunkt war der Bahnhof Schieder. Es kam wegen des Krieges erst Anfang 1919 zur Arbeitsaufnahme. Am 21. September 1922 unterrichtet die Eisenbahndirektion die Regierung über die erfolgte Verlegung des zweiten Gleises auf der Teilstrecke Pyrmont—Steinheim. Am 29. und 30. September erfolgt dann die Abnahme. Schieder ist der einzige lippische Bahnhof an einer mehrgleisigen Bahnstrecke.
Eisenbahn Schieder—Blomberg
Eine eingehende Würdigung der Bedeutung unserer Eisenbahn für das Leben Schieders muß ohne Berücksichtigung der Eisenbahn Schieder—Blomberg unvollständig bleiben. Ihr muß also eine Darstellung des Bemühens um diese Bahn vorangehen. Schieder erhielt eine direkte Verbindung zu der Stadt, die für unseren Ort mehr als eine andere Einkaufs- und Behördenstadt war. Es hat sich deshalb auch immer eifrig für den Bau der Bahn eingesetzt, nicht zuletzt durch die Bereitstellung erheblicher Geldmittel seitens der damaligen Amtsgemeinde Schieder. Natürlich ging das stärkste Bemühen von der Stadt Blomberg und deren privaten Interessenten aus. Blomberg fand wegen seiner Lage keine Berücksichtigung bei den damals Lippe bewegenden Eisenbahnprojekten; es lag auf der anderen Seite aber auch nur wenige Kilometer von der Eisenbahnlinie Hannover—Altenbeken entfernt. Nach Lage der Dinge konnte deshalb auch nur ein Anschluß an diese Linie in Frage kommen. Die Blomberger empfanden frühzeitig den Anschluß an die Eisenbahn als eine Existenzfrage für ihre lebendige und aufstrebende Stadt und haben daher nichts unversucht gelassen, eine Eisenbahnverbindung zu erhalten. Sie haben dreißig Jahre dafür gekämpft, große finanzielle Opfer gebracht und schließlich gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Genugtuung erfahren, ihr Bemühen durch die Fertigstellung der Eisenbahnlinie Schieder—Blomberg belohnt zu sehen. Für Schieder und weite Teile des Lippischen Südostens ergab sich eine willkommene Verbindung zu der Stadt, auf die man in mancher Hinsicht angewiesen war. Der Bahnhof Schieder erfuhr schließlich als Ausgangspunkt einer neuen Linie und durch den Umschlag der Güter aus Blomberg eine Aufwertung.
Ladegleis am Noltehof
Wir wissen, daß der Bahnhof Schieder von den Blombergern schon bei der Projektierung der Linie Hannover—Altenbeken als für ihre Stadt höchst ungünstig gelegen bezeichnet wurde. Sie hätten ihn lieber am Noltehof gebaut gesehen. Natürlich konnten sie sich nicht gegen Wunsch und Willen des lippischen Fürsten durchsetzen. Sie blieben auf den Bahnhof Schieder angewiesen. Was ihnen zunehmend Sorge bereitete, war nicht so sehr die fehlende Verbindung im Rahmen des Personenverkehrs, sondern die der Wagenladungen. Der Landwirtschaftliche Verein Blomberg-Schieder, dessen Wortführer der Blomberger Domänenpächter Krieger war, richtete deshalb am 2. Februar 1884 eine umfangreiche Eingabe an das Verwaltungsamt Blomberg mit der einleitenden Feststellung, daß der Bahnhof Schieder an einer für den öffentlichen Verkehr denkbar ungünstigen Stelle angelegt sei. Vom Noltehof bis zum Bahnhof müßte 2,5 Kilometer vollständig vergeblich weiter gefahren werden. Die Stadt Blomberg habe jetzt schon wenigstens 600 Doppelladungen nach bzw. von Schieder, das ergebe 120 000 Zentner vergeblichen Transport auf 2,5 Kilometer. Die Verlegung des Bahnhofs Schieder nach dem Noltehof sei natürlich eine Illusion. Es werde aber gebeten, ein Gleis für das Be- und Entladen bei dem Noltehof anzulegen. Das verursache keine wesentlich höheren Betriebskosten, nur ein Weichensteller sei erforderlich. Die Chaussee Noltehof— Schieder würde auf der angegebenen Länge vom schweren Fuhrverkehr frei, und die Emmerbrücke bei dem Schloßgarten würde entlastet.
Holz verladen am Bahnhof